Einer Mehrheit ist überhaupt nicht bewusst, wie flächendeckend unser Verhalten bereits auf Basis digitaler Daten analysiert, eingeordnet und bewertet wird. Mögliche negative Auswirkungen auf Einzelne sind schwer vorstellbar, weil sie zu weit in der Zukunft liegen oder generell zu sehr entkoppelt sind von unserer alltäglichen Nutzung von Web-Browser oder Smartphone-Apps. ~ Wolfie Christl, Autor der Studie „Kommerzielle digitale Überwachung im Alltag

Was „Likes“ aussagen

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Allein aus Facebook-Likes kann mit hoher Zuverlässigkeit auf persönliche Eigenschaften wie Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung, ethnische Zugehörigkeit, politische Einstellung, Religion, Beziehungsstatus oder Nikotin-, Alkohol- oder Drogenkonsum geschlossen werden. Aus einer Analyse anonymer Website-BesucherInnen lassen sich deren Geschlecht, Alter, Beruf und Ausbildung abschätzen. Strukturell ähnliche Daten über Internet-Suchanfragen, gekaufte Produkte oder musikalische Vorlieben bieten einen ähnlichen Informationsgehalt.

Charakter und Emotionen

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Aus Telefonie-Verhalten wie etwa der Häufigkeit von Anrufen lassen sich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit individuelle Charaktereigenschaften wie emotionale Stabilität, Extraversion, Offenheit für Neues, soziale Verträglichkeit oder Gewissenhaftigkeit berechnen – ohne auf die Kommunikationsinhalte selbst zuzugreifen. Emotionen wie Zuversicht, Unschlüssigkeit, Nervosität, Entspannung, Trauer oder Müdigkeit lassen sich relativ zuverlässig aus der Analyse von Rhythmus und Dynamik des Tippens erkennen.

Zukünftiges Verhalten?

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Aus der Kenntnis vergangener GPS-Standorte lassen sich zukünftige Aufenthaltsorte prognostizieren. Wenn die Bewegungsprofile von Bekannten einbezogen werden, sind diese Vorhersagen besonders zuverlässig. Aus einer Analyse der Verbindungen auf sozialen Netzwerken lässt sich nicht nur abschätzen, wer davon in einer romantischen Beziehung ist. Es lässt sich sogar die Wahrscheinlichkeit einer Trennung innerhalb der nächsten zwei Monate vorhersagen.

Viele Tippfehler – kein Kredit?

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Bonitätsbewertung mit Online-Daten: Das von einem ehemaligen Google -Mitarbeiter gegründete US-Startup zest finance kombiniert 70.000 Merkmale aus unterschiedlichsten Quellen, um daraus die Kreditwürdigkeit von Einzelpersonen einzuschätzen. Das Hamburger Unternehmen Kreditech greift dafür unter anderem auf Standort-Informationen und Daten aus sozialen Netzwerken zurück. Sogar das Surfverhalten auf der Website oder die Art, wie der Online-Kreditantrag ausgefüllt wird, fließen ein – und die Häufigkeit der Nutzung der Löschtaste.

Falscher Browser – kein Job?

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Personalentscheidungen mit Big Data : Die Firma Evolv hilft Personalabteilungen bei der Bewertung von BewerberInnen und Angestellten. Dabei fließen die Daten von inzwischen drei Millionen Personen ein – von Beschäftigungshistorie und Arbeitsleistung bis zur Anzahl der „Social Media“-Accounts oder dem benutzten Browser bei der Online-Bewerbung. Das Startup ConnectedCube befasst sich mit der Vorhersage der zukünftigen Leistung von Angestellten.

Preisdiskriminierung?

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Große internationale Online-Shops zeigen KonsumentInnen auf Basis von deren Online-Verhalten, Standort-Informationen, der benutzten Geräte oder Browser unterschiedliche teure Produkte an – oder gar die gleichen Produkte zu verschiedenen Preisen – mit Unterschieden bis zu 166%. Beim Online-Reisebuchungsportal Orbitz wurde bei Nutzung eines Mac-Computers eine Auswahl von um bis zu 13% teurerer Hotels angeboten als mit einem PC. Beim US-Bürobedarfshändler Staples wurde eine durchschnittliche Preisdifferenz von 8% festgestellt. KonsumentInnen haben bei derartigen Praktiken keine Chance mehr, zu verstehen, wie ihr individueller Preis oder die Auswahl der ihnen angebotenen Produkte zustande kommen.

Achtung beim Einkauf oder beim Spielen

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Krankheitsprognosen aus Konsumverhalten: Die große US-Versicherung Aviva beschäftigt sich mit der Prognose von Risiken für Krankheiten wie Diabetes, hohem Blutdruck oder Depression allein aus Daten über Konsumverhalten, Lebensstil oder Einkommen.

Emotionale Manipulation?

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Das Werbeunternehmen MediaBrix analysiert die Emotionen von Online-SpielerInnen, spricht diese gezielt und individuell in ganz bestimmten Momenten zwischen Begeisterung und Frustration an und konnte damit die Effektivität der Werbung im Web um 15% und bei mobilen Apps sogar um 30% steigern.

Spione in der Hosentasche?

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Smartphones ermöglichen mit ihren unzähligen Sensoren und den darauf gespeicherten Daten sehr weitgehende Einblicke in Persönlichkeit und Alltag ihrer BesitzerInnen. 71% der kostenlosen Android -Apps und 32% der kostenlosen iOS -Apps übertragen persönliche Daten an Werbenetzwerke, mehr als die Hälfte greifen auf sensible Informationen wie Standort-Daten zu. Nach einer Untersuchung von 26 Datenschutzbehörden aus 19 Ländern greifen 31% von 1200 populären Apps auf Daten dazu, ohne dass dies für die eigentliche Funktion der App notwendig wäre. 59% der Apps werden als bedenklich eingestuft, da sie die NutzerInnen nicht ausreichend darüber informieren, welche Daten genutzt und weitergegeben werden.

Günstigere Versicherung

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Überwachungsboxen im Auto zeichnen rund um die Uhr das Fahrverhalten auf und übertragen Position, Geschwindigkeit und Beschleunigungswerte an Versicherungen, die die Höhe der Prämienzahlung von den gemessenen Daten abhängig machen: In Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien und den USA ist dieses Prinzip schon etabliert, für 2020 werden global 100 Millionen derartige Polizzen erwartet. In Deutschland existiert ein erstes Angebot der Sparkassen-DirektVersicherung . Wer dabei zu viel in der Nacht oder in der Stadt fährt, oder zu oft stark beschleunigt oder bremst, riskiert einen Verlust des Prämienrabatts von 5%.

Weitergabe von Gesundheitsdaten

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Fitness-Tracker und Smartwatches : Tragbare Geräte und Apps zur Auswertung von Schritten, Puls, Schlaf und vielen anderen Körperfunktionen sind inzwischen ein Milliarden-Geschäft. Während die NutzerInnen mit Spielmechaniken, Anreizen und Belohnungen dazu motiviert werden, diese Wearables möglichst oft zu nutzen, arbeiten die Unternehmen an Geschäftsmodellen zur kommerziellen Verwertung der erfassten Daten. Der Marktführer Fitbit wirbt öffentlich mit Angeboten für Versicherungen und arbeitet international bereits mit vielen großen Unternehmen im Rahmen betrieblicher Gesundheitsprogramme zusammen. Bei der US-Firma Appirio stellen etwa 1.000 Angestellte freiwillig ihre mit Fitbit gemessenen Gesundheitsdaten zur Verfügung, die Firma konnte dadurch eine jährliche Ermäßigung von 300.000 Dollar mit der betrieblichen Krankenversicherung ausverhandeln. Angestellte des Ölkonzerns BP werden dazu angehalten, mit Fitbit eine Million Schritte pro Jahr zu erreichen – ein Mitarbeiter ersparte sich dadurch 1.200 Dollar bei der jährlichen Krankenversicherungsprämie. Dies ist ein durchaus starker Anreiz und bedeutet umgekehrt:  Wer nicht teilgenommen oder das „spielerische“ Ziel nicht erreicht hat, wird bestraft und bezahlt spürbar mehr. Große US-Versicherer haben bereits Programme gestartet, die Wearables integrieren und bei denen KonsumentInnen bei Erreichen bestimmter Fitness-Ziele kleine Belohnungen wie Einkaufsgutscheine oder Kinotickets erhalten können. Es ist wahrscheinlich nur mehr eine Frage der Zeit, bis auch KonsumentInnen in den USA direkte Rabatte auf Versicherungsprämien erhalten – oder gar Strafen bei Nicht-Erreichen der Fitness-Ziele.

Vernetzte Sensoren im Alltag

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Allgegenwärtige Überwachung im Internet der Dinge ? Immer mehr Alltagsgegenstände sind mit kleinen vernetzten Computer und Sensoren ausgerüstet. Neben den in Smartphones schon üblichen Sensoren vermessen Wearables nicht mehr nur Schritte, Puls oder Schlaf, sondern auch Atmung, Hautwiderstand, Blutdruck oder Blutzucker – und verfügen über Barometer, Temperatur- oder Luftfeuchtigkeitssensoren. E-Book-Reader zeichnen detaillierte Informationen zum Leseverhalten auf, vernetzte TV-Geräte versenden Daten über das Fernsehverhalten. Vernetzte Autos, Stromzähler, Thermostaten, Brandmelder, Kühlschränke oder Badewannen liefern bald umfangreiche Daten über unser Alltagsverhalten. Dabei überwachen die NutzerInnen nicht nur sich selbst, sondern auch andere – etwa ihre Kinder oder ihre Angestellten, die entweder Geräte mit Sensoren mit sich tragen oder sich an Orten bewegen, die mit Sensoren ausgestattet sind. Datenbrillen und Wearables zur digitalen Vermessung von Körper, Gesundheit, Verhalten und Umgebung werden unauffälliger – etwa in Form von Pulssensoren in biometrischen Kopfhörern, Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren in elektronischen Tattoos oder durch mit Sensoren ausgestatteten Ringen, Socken, T-Shirts, Büstenhalter, Zahnbürsten oder Gabeln. Viele ExpertInnen erwarten, dass Anreize zur Verhaltensänderung zum zentralen Treiber für das Internet der Dinge werden – beispielsweise Anreize zum Kauf eines Produkts, zur Anregung von gesünderen oder sichereren Lebensweisen oder von bestimmten Arbeitsweisen. Dies könnte laut ExpertInnen zu massiven Auswirkungen auf die Möglichkeit führen, das eigene Leben zu kontrollieren.

Adressen von kirchlichen Verlagen bis Erotik

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Daten- und Adresshandelsfirmen im deutschen Sprachraum handeln mit Adressen und Persönlichkeitsprofilen über viele Millionen Menschen. Marktführer sind Bertelsmann , Otto und die deutsche Post . Das Bertelsmann -Tochterunternehmen AZ Direkt verkauft Daten über ältere oder verschuldete Menschen, Spendenwillige oder „risikobereite Individualisten“ – sowie Adressen aus so unterschiedlichen Quellen wie der Erotik-Versandhandelsmarke Beate Uhse , kirchlichen Verlagen oder der Wochenzeitung Die Zeit . Die Auswahl der gekauften Daten kann fein abgestimmt werden – geworben wird mit „mehr als 600 adressqualifizierende Profilinformationen zum Beispiel zu Soziodemografie, Psychografie, Konsumeigenschaften, Lebensphasen“.

Von Negativlisten zu komplexen Scoring-Modellen

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Wirtschaftsauskunfteien im deutschen Sprachraum bieten Bonitätsbewertung von Privatpersonen und andere Dienstleistungen an. Einfache Negativlisten wurden inzwischen von komplexen Scoring-Modellen abgelöst, die viele Lebensumstände in die Berechnung der Kreditwürdigkeiteinbeziehen. Die Berechnungsmethoden sind oft fehleranfällig und intransparent, die VerbraucherInnen schlecht informiert. Die dominanten Unternehmen und deren Tochterfirmen sind oft gleichzeitig in den Bereichen Direktmarketing, Daten- und Adresshandel aktiv. Die auch in Österreich tätige Bertelsmann -Tochterfirma arvato wickelt etwa mit ihren Tochterfirmen nicht nur Bonitätsprüfungen, Scoring, Inkasso und Finanzdienstleistungen ab, sondern betreibt auch Kundenclubs und Bonusprogramme für große Unternehmen, Präventionsprogramme im Gesundheitsbereich sowie das „Hinweis- und Informationssystem der deutschen Versicherungswirtschaft“. Die Tochterfirma arvato infoscore hat „Negativinformationen“ zu 7,8 Millionen Personen gespeichert. Mit dem System infoRate+ kann laut Website zur „Bewertung eines Konsumenten auf vielfältigste Datenquellen zugegriffen“ werden – Unternehmen könnten damit „sämtliche vorhandenen internen und externen Daten verdichten und integrieren“. Ein weiteres angebotenes Scoring -Produkt wird mit folgendem Satz beworben: „Kunden mit hohem Ertragspotenzial sollen gewonnen, Kunden mit hohem Risiko von Anfang an gemieden werden“.

Acxiom: Daten über 700 Millionen Menschen

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Internationale Player im Geschäft mit den persönlichen Daten in den USA – sogenannte Data Broker – verfügen über umfangreiche Dossiers über die gesamte Bevölkerung, sammeln laut der US-amerikanischen Federal Trade Commission Daten über KonsumentInnen aus umfassenden Online- und Offline-Quellen und speichern diese teils unbefristet – und zwar „größtenteils ohne das Wissen der Konsumenten“. Sie sammeln enorme Mengen von Daten – von Zahlungsverhalten und Zeitschriften-Abos über Aktivitäten in sozialen Medien bis zu religiösen und politischen Zugehörigkeiten – machen Schlussfolgerungen über ethnische Zugehörigkeit, Einkommen oder Gesundheit und verkaufen Informationen an Handel, Politik, Versicherungen oder Personalabteilungen. Die US-Firma Acxiom verfügt etwa über umfangreiche Dossiers mit bis zu 3.000 einzelnen Eigenschaften von etwa 700 Millionen Menschen – von Ausbildung, Wohnen, Beschäftigung, Finanzen und Eigentum bis zu Wahlverhalten, „Bedürfnissen“ und „Interessen“ im Bereich Gesundheit oder der „Neigung zum Glücksspiel“. Das Unternehmen betreibt 15.000 Kundendatenbanken von globalen Top-Unternehmen, kooperiert mit Google , Facebook und Twitter und hat seit dem Kauf des Online-Spezialisten Liveramp laut Eigenangabe drei Milliarden Kundendatensätze „ins Web gebracht“. Acxiom ist auch in Deutschland tätig und besitzt laut der Wochenzeitung Die Zeit Daten über 44 Millionen Deutsche.

Datalogix, Lexis Nexis und Recorded Future

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Weitere Beispiele für internationale „Data Broker“: Das Unternehmen Datalogix verfügt über mehr als eine Trillion Transaktionsdaten von KonsumentInnen in den USA und vergleicht im Rahmen einer Partnerschaft mit Facebook , wie oft NutzerInnen online Werbung für bestimmte Produkte sehen – und die entsprechenden Käufe dann in einem Geschäft durchführen. Die Firma Lexis Nexis gibt an, Daten über 500 Millionen KonsumentInnen zu besitzen und bietet „Risikomanagement-Lösungen“ in den Bereichen Versicherung, Handel oder für den Gesundheitssektor an. Angeboten werden unter anderem Daten über die Kreditwürdigkeit, Hintergrund-Überprüfungen von ArbeitnehmerInnen oder Informationen über „Problem-Mieter“. Darüber hinaus werden biometrische Services vom Fingerabdruck bis zur Stimmerkennung oder zur Erkennung von „Risiken und Bedrohungen“ in sozialen Medien angeboten. Das Unternehmen Recorded Future erfasst Daten über Personen von fast 600.000 Websites in sieben Sprachen, nutzt diese Informationen, um deren zukünftiges Verhalten vorherzusagen und arbeitet sowohl für Unternehmen als auch für Militär und Geheimdienste – seit 2009 sind unter anderem Google und In-Q-Tel und damit indirekt der US-Geheimdienst CIA an Recorded Future beteiligt.

Zugriff auf 1,4 Milliarden Geräte

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Tausende Firmen in den Bereichen Online-Tracking, Analyse und Werbung identifizieren NutzerInnen über Websites, Apps und Geräte hinweg und sammeln gewaltige Mengen an persönlichen Informationen. Beim Aufruf beinahe aller populären Websites wird jeder einzelne Klick an mehrere Dritt-Unternehmen übertragen, ebenso bei vielen Smartphone- Apps . Die Analyse- und Werbeplattform Flurry ist global auf 1,4 Milliarden Smartphones und Tablets installiert und zeichnet die Nutzungsaktivitäten in 540.000 Apps auf. Flurry ermöglicht Werbetreibenden eine gezielte Ansprache nach Geschlecht, Alter und Interessen – und sortiert NutzerInnen in Kategorien wie Hardcore-SpielerInnen, frischgebackene Mütter oder nach ihrer sexuellen Orientierung. Durch eine Kooperation mit der Marktforschungsfirma Research Now stehen seit kurzem weitere 350 „Profil-Attribute“ über Demographie, Interessen und Lifestyle zur Verfügung.

Gesellschaftliche Auswirkungen von kommerzieller digitaler Überwachung

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Permanente Sortierung der Bevölkerung

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Durch die beschriebenen Entwicklungen und Praktiken wird klar, dass eine Art von Überwachungsgesellschaft Realität geworden ist, in der die Bevölkerung ständig auf Basis persönlicher Daten klassifiziert und sortiert wird. KonsumentInnen können oft nicht mehr nachvollziehen, welche Daten über sie und ihr Verhalten von Unternehmen digital erfasst und gespeichert werden, wie diese Daten verarbeitet werden, an wen sie weitergegeben oder verkauft werden, welche Schlüsse daraus gezogen werden und welche Entscheidungen auf Basis dieser Schlüsse über sie gefällt werden. Persönliche Daten werden zunehmend in völlig anderen Bereichen eingesetzt als die ursprünglichen Verwendungszwecke bei deren Erfassung. Außerdem besteht überall, wo große Datenmengen gespeichert werden, das Risiko von Datenmissbrauch und -verlust. Dadurch entstehen große Risiken für Einzelne – von Belästigung und Stalking bis Identitätsdiebstahl und Cyber-Kriminalität.

Auswirkungen auf lebensentscheidende Fragen

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Wenn Unternehmen Kriterien wie Geschlecht, Alter, ethnische oder religiöse Zugehörigkeit, Armut oder den Gesundheitszustand in ihre Entscheidungen mit einbeziehen, besteht die Gefahr von Diskriminierung oder Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen. Die Chancen und Wahlmöglichkeiten von Einzelnen können dadurch eingeschränkt werden – von Preisdiskriminierung und der der Frage, welche Angebote jemand bekommt bis zu lebensentscheidenden Fragen in den Bereichen Finanzen, Gesundheit, Versicherung oder Arbeit. Sogar die Federal Trade Commission befürchtet, dass für KonsumentInnen mit „riskanteren“ Verhaltensweisen in Zukunft höhere Versicherungsprämien anfallen könnten. Michael Fertik diagnostiziert im Scientific American , dass durch individuelle Preise und personalisierte Angebote schon jetzt die „Reichen“ ein „anderes Internet als die Armen“ sehen würden.

Wer sich falsch verhält…

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Abgesehen von Fehlern bei der Erfassung der gesammelten Daten können Fehler in den Prognosemodellen und damit falsche Schlussfolgerungen massive negative Auswirkungen auf Einzelne haben. Wer beispielsweise die falschen Personen kennt, im falschen Bezirk wohnt oder sich in der Smartphone-App „falsch“ verhält, wird in einer bestimmten Art und Weise klassifiziert und muss die Konsequenzen tragen, ohne Einfluss darauf zu haben. Auch eine Verweigerung der Teilnahme kann Konsequenzen haben: Wenn keine oder zu wenige Daten über eine Person vorhanden sind, schätzt ein Unternehmen das Risiko für eine Kundenbeziehung unter Umständen prinzipiell als zu hoch ein. Wenn Versicherungsunternehmen die Risikoabschätzung von Lebensgewohnheiten und Verhaltensweisen abhängig machen, wird außerdem Risiko individualisiert. Der Netz-Theoretiker Evgeny Morozov warnt vor einer mit der „Umweltkatastrophe“ vergleichbaren „Datenkatastrophe“, die uns in einer Welt erwartet, in der persönliche Daten wie Kaffee oder jede andere Ware gehandelt werden“.